Geschichte der Strategie

Geschichte der Strategie in der Wirtschaft

Unternehmen und Armeen benötigen Strategien zur Durchsetzung ihrer Ziele beziehungsweise finanziellen oder militärischen Profits. Sie dient demgemäß zur Erreichung ziel- und zweckgerichteten Arbeitens, Optimierung effektiver und effizienter Ressourcenverteilung und Koordination einzelner Entscheidungsströme. Militär- und die Geschäftsstrategie ähneln sich also in Konzepten und Prinzipien. Eine festgesetzte Strategie ist bei beiden insofern nur sehr schwer zu korrigieren, als Inkonsequenz in der Durchführung oftmals fatale Folge nach sich ziehen. Strenge der Offensiv- und Defensivstrategien und Unbedingtheit einer einmal getroffenen Entscheidung sind daher in einem Unternehmen wie auch der Armee gleichermaßen erforderlich. Geschäft- und Militärwelt unterscheiden beide zwischen Strategie und Taktik: Strategie gilt als Gesamtplan für die Erlangung eines langfristigen Zieles; Taktik ist ein kurzfristigerer Entwurf für eine spezielle Handlung im Rahmen des gewählten strategischen Gesamtplanes. Der Autor von Contemporary Strategy Analysis[1], R.M. Grant, verweist aber auch auf einen wichtigen Unterschied: Gegner im Geschäftsleben zielen nicht darauf ab, sich gegenseitig zu vernichten. Als nichtmilitärisches Strategieziel wird daher die Koexistenz mehrerer Firmen im Wettbewerb betrachtet.

«„Betrachtet man die Geschichte der Strategie in der Unternehmensführung als Ganzes, erkennt man ihre Reifung zu einem Prozess, einer Funktion und als akademische Disziplin.“ »

R.W. Oliver

Bezogen auf den wirtschaftlichen Kontext veröffentlichten John von Neumann und Oskar Morgenstern im Jahr 1944 Theory of Games[2], als erstes konkretes Werk über Strategie-Theorien. In den 50er und 60er Jahren erfuhren immer mehr Firmenleiter wie kompliziert und komplex die Leitung eines durch prosperierende Wirtschaft stetig wachsendes Unternehmen werden kann:

Die Koordination einer Vielfalt von Entscheidungen und gleichzeitig einen Überblick über alle Vorgänge der Firma zu behalten, wurde zunehmend als eine Herausforderung betrachtet. Man begann daher Budgetierungs- und Finanzabläufe in Übersichten zusammenzufassen. Wenn auch nur auf kurze Sicht kalkuliert, war dies der erste Schritt zur Unternehmenskontrolle mittels Planung. Strategie als solches war zu dieser Zeit aufgrund der vorherrschenden Marktbedingungen nicht notwendig, da nach dem Zweite Weltkrieg die Nachfrage sehr hoch war und das Hauptmerkmal der Industrie auf dem Bereich der Produktion lag. Die Wirtschaft konzentrierte sich darauf, ausreichend Waren zu Produzieren und Preise an die Produktionskosten und Löhne der Mitarbeiter anzupassen.

In den 60ern wagte sich das Management erstmals, aufgrund des stabilen Wirtschaftsaufschwungs, längerfristig zu planen. Man bezog das „Corporate Planning“ ein und tätigte Langzeitinvestitionen z.B. auf dem Technologiemarkt. In dieser Zeit war das Planungsinstrument der Wirtschaft der Fünf-Jahres-Plan, der Ziele, Trends, Kostenstrukturen und andere Faktoren berücksichtigte. Alfred Chandler, einer der bedeutendsten Wirtschaftshistoriker mit dem Forschungsschwerpunkt Business History,  erklärte in seinem Buch Strategy and Structure[3] von 1962, dass die Struktur der Strategie zu folgen hat und letztere als eigene Geschäftsfunktion neben den anderen Berechtigung hat. Kenneth Andrews, Harvard Business School Professor und Vater der „Corporate Strategy“, betonte in seinem Buch Concept of Corporate Strategy[4] von 1965 erstmals die Notwendigkeit, sich auf die Grundlage der eigenen Stärken und Schwächen zu konzentrieren und die internationalen Märkte zu analysieren. Ebenfalls in den 60ern postulierte Igor Ansoff, damaliger Geschäftsführer von Lockheed Electronics, dass jeder Manager mit eindeutigen strategischen Entscheidungen konfrontiert wird. Bruce Henderson, Gründer der Boston Consulting Group formulierte das Prinzip der Erfahrungskurve und erfand die Portfolio-Matrix. Mittels dieser ließen sich generische Investitionsstrategien für Produkte in einem bestimmten Produktzyklus ableiten. 1963 veröffentlichte ein Marktforschungsinstitut, dass die Mehrheit der großen US-Firmen eigene Planungsabteilungen eingerichtet hätten, und bezeichneten dies als Trend. Die neue Erkenntnis war, dass Strategie eindeutiger Entscheidungen bedurfte und geleitet werden konnte.

Die 70er Jahre waren gekennzeichnet von Unsicherheit hervorgerufen durch die Ölkrise, zunehmenden globalen Wettbewerb sowie einer Organisation der Konsumenten zur besseren Wahrnehmung ihrer Rechte. Eine Veröffentlichung des Club of Rome über die Endlichkeit der Fossilen Ressourcen ließ ferner zum ersten Mal den Gedanken des Umweltschutzes aufkommen. Die Unternehmen in den USA steckten zusätzlich durch Proteste wegen Vietnam und Watergate in der Krise. Die Unternehmen der westlichen Welt verzeichneten insgesamt eine negative wirtschaftliche Entwicklung. Auf dem asiatischen Kontinent hingegen konzentrierten sich in dieser Zeit japanische Unternehmen auf Qualität im Bereich der Elektronik und des Automobils und konnten so dort kräftig an Marktanteil zulegen. Aufgrund der Umstände und Änderungen in der Wirtschaftspolitik waren die westlichen Unternehmer gezwungen, schneller und flexibler auf die neue, instabile Wirtschaftslage zu reagieren. Der Wechsel in der Wirtschaftspolitik vom keynesianischen zum neoliberalistischen Paradigmas hatte ein Zurückdrängen des Staates zur Folge. Die entstandene Lücke füllte der Aufschwung der Börse und es entstand die Idee des „shareholder value“. Aus der Notwendigkeit kurzfristig Erfolge vorzuweisen folgten Zusammenschlüsse und Übernahmen von Konzernen sowie eine immer kurzfristigere Planung und damit verbundenen schnell wechselnden Zielvorgaben. Gleichzeitig sollte das Firmenziel keinesfalls aus den Augen verloren werden. Es kam also darauf an, langfristig und kontinuierlich an der Erfüllung einer Aufgabe zu arbeiten und trotzdem kurzfristig flexibel sein zu können, um mit aktuellen, marktspezifische Entscheidungen reagieren zu können. An dieser Stelle wurde das bisherige „corporate planning“ von dem „strategic management“ abgelöst. Das Management sollte dabei einer Durchsetzung der Strategie dienen. Dies war auch der Zeitpunkt des Aufstiegs unabhängiger Strategieberater. Der bisher eher lineare Strategieprozess wurde wesentlich flexibler und wuchs sowohl geografisch, da die Anforderungen globaler wurden, als auch in den Konzernen selbst mit immer zunehmender Bedeutung. Die strategische Planung wurde dimensionaler und abhängig von verlässlichen Informationen und Instrumenten, wie zum Beispiel aufkommender Computertechnik. Ebenso stieg die Nachfrage nach strategischen Tools und zuverlässigen Werkzeugen zur Analyse.

In den 80er Jahren rückte der Wettbewerb immer mehr in den Mittelpunkt des Marktgeschehens. Die einzelnen Unternehmen konzentrierten sich auf Konkurrenzfähigkeit und die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen. Marktforschung und Trendanalysen wurden in dieser Zeit verstärkt betrieben. Es waren Michael Porters Bücher Competitive Strategy von 1980 und Competitive Advantage aus dem Jahre 1985, die die Unternehmensstrategie als solches formten und ihr die Stellung einer Managementfunktion gab, gleichgestellt mit anderen Unternehmensbereichen.[5]

In den späten 80ern und frühen 90ern wandelte sich die externe Marktanalyse zur unternehmensinternen Strukturanalyse. Von der Suche nach Kompetenzen und Kapazitäten im Betrieb versprach man sich die entscheidenden Wettbewerbsvorteile. Henry Mintzberg, Professor für Management und Wegbereiter der Strategielehre, war als erster der Meinung, dass sich die Märkte zu schnell verändern, um mit veralteten Analysemethoden gemessen zu werden.[6] Grund dafür waren vor allem die schnell wachsenden Möglichkeiten der Technologie und das Aufkommen des Internet. Seine entwickelten Modelle, die zehn Strategie-Schulen, trugen diesem Umstand Rechnung. Weitere neue Ansätze auf dem Markt waren ERP (Enterprise Ressource Planning), CRM (Customer Relationship Management) und SCM (Supply Chain Management). Diese Systeme waren alle stark technikabhängig und führten dazu, dass sich der Fokus der Strategie darauf bezog, diese Systeme intern und extern zu unterstützen.

Mitte bis Ende der 90er entwickelte sich die Strategie, ausgehend von einem wissenschaftlichen Teilbereich, zu einem eigenen akademischen Schwerpunktbereich innerhalb der Betriebswirtschaftslehre entwickelt. Unternehmen änderten damals ihre Organisationsformen, so dass Kooperationen mit anderen Firmen erleichtert wurden. Die Strategielehre kreierte in dieser Zeit einen eigenen Geschäftsbereich, nämlich den der Unternehmensberater wie Accenture, Bain, Boston Consulting Group, Cap Gemini, McKinsey, die zeitweise die Hauptzahl der Absolventen, mit einem Abschluss als Master of Business Administration, einstellten. Weiterhin wurde der Bereich Strategie als eine eigene Disziplin und Funktion in den Unternehmen betrachtet. „Betrachtet man die Geschichte der Strategie in der Unternehmensführung als Ganzes, erkennt man ihre Reifung zu einem Prozess, einer Funktion und als akademische Disziplin[7].

Während die Strategie als militärisches Mittel bereits lange bekannt und dokumentiert war, waren viele Werke der Strategie im Geschäftsleben weniger bekannt und waren umstritten. John Kay beschreibt in seinem Buch Foundations of Corporate Success[8] am Beispiel der Firma General Electric, wie sich die Strategie im Laufe der Jahre entwickelt hat. Die Strategie hat sich von der bloßen Planung des Unternehmens über Diversifikation und Portfolio Strategien hin zu einer Konzentration auf Kernkompetenzen entwickelt. Ebenso ist das Management weniger analytisch und mehr menschenorientiert geworden. Denn längst sind nicht mehr nur die finanziellen Kennzahlen ausschlaggebend, sondern vielmehr auch das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter. [9]

Die folgende Abbildung fasst die gesamte historische Entwicklung tabellarisch zusammen. Sie gliedert sich nach den Kriterien Managementhandlungen, Organisation und Wettbewerb sowie den beherrschenden Themen, Hauptvertretern, Firmenphilosophie, strategische Tools und der industriellen Konfiguration. Interessant sind hier die Felder „Firm Theory“ und „Strategic Tools“, welche die rasante Entwicklung ab 1950 gut zusammenfassen. [10]


Business Strategy Evolves

Year/Focus

1950

1960

1970

1980

1990

Management Action

Command and Control

Command and Control

Shareholder Participation

Quality

Competitiveness

Organization Metaphor

Mechanic

Mechanic

Networked

Networked

Networked

Competition

National

National

Global

Global

Global

Dominant Theme

Marketing

Structure; Experience; Growth;Strategic Planning Choice

Competitiveness

Value Chain; Global Quality

Enhancing Core Process

Leading Advocates

Micro economists

Chandler, Andrews, Henderson, Ansoff

Professional Strategy Firms

Porter, Drucker

Mintzberg,

Hamel

Firm Theory

Industry Captive

Rational Choice

Internal Transaction of Stakeholders

Globalization

Co-opetition

Strategic Tools

-

SWOT; Experience Curve; Growth Share Matrix

Value Chain

SPC, TQM

Core Competency; Value System; Game Theory

Industry Configuration

Vertical

Vertical

Horizontal

Horizontal

Horizontal

 

[1] Grant, Contemporary Strategy Analysis, 1991.

[2] Neumann/Morgenstern, Theory of Games, 1944.

[3] Chandler, Strategy and Structure, 1962.

[4] Andrews, Concept of Corporate Strategy, 1965.

[5] Ghemawat, Competition and Business Strategy in Historical Perspective, Business History Review 76, 2002, Frühjahrsausgabe, S. 60.

[6] Kay, J.: Foundations of Corporate Success, 1995, S. 354.

[7] Oliver, R. W.: The Future of Strategy: Historic Prologue. Journal of Business Strategy, 2002, Band. 23, Ausgabe 4, S. 6.

[8] Kay, J.: Foundations of Corporate Success, S. 336.

[9] Kay, J.: Foundations of Corporate Success, S. 337.

[10] Oliver, R. W.: The Future of Strategy: Historic Prologue. Journal of Business Strategy, 2002, Band. 23, Ausgabe 4, S. 8.



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von Moltke

„Vier G dürfen einem Feldherrn nicht fehlen: Geld, Geduld, Genie und Glück.“
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